Erleben wir das Kabinett Brüning III?

So könnte vielleicht der Titel einer der nächsten Hart-aber-fair-Sendungen sein. Zur Erinnerung: Brüning war der Reichskanzler, der während der Weltwirtschaftskrise einen harten Konsolidierungskurs gefahren hat, und dadurch den Zusammenbruch der Wirtschaft in Deutschland weiter beschleunigen half – so zumindest die allgemeine Wahrnehmung (1).

Zur Zeit muss man den Eindruck haben, dass die deutschen Haushaltspolitiker wenn nicht im Umfang, dann doch in der Tendenz den gleichen Fehler zu machen bereit sind – man ist stolz auf die erreichte Haushaltskonsolidierung, und will das Erreichte nicht durch Konjunkturpakete wieder aufgeben. Gleichzeitig wirkt wohl bei vielen noch die Erfahrung der 1970er Jahre, als die Konjunkturpakete wirkungslos blieben.

Diese Zögerlichkeit der Politik erscheint mir sehr gefährlich, da gleichzeitig von Medien und Wissenschaft die Meinung verbreitet wird, die beschlossenen Massnahmen würden keine Wirkung zeigen und seien vom Umfang her zu klein. Schnell kann hieraus eine Erwartung entstehen, die Politik würde dadurch sehenden Auges die Rezession verschlimmern, anstatt durch entschlossenes Handeln dafür zu sorgen, dass die Rezession flach und kurz bleibt.

Meiner Meinung nach ist es daher notwendig, dass jetzt ein klares Signal von der Regierung kommt, dass man das Problem erkannt hat, dass man bereit ist, eine sinnvolle Summe (im Bereich 1-1,5% des BIP) einzusetzen, dass man dafür sorgen will, dass die Mittel möglichst effizient wirken, und man daher noch 1-2 Monate für die Planung braucht. Dabei besteht dann natürlich die Gefahr, dass in der Zwischenzeit jedes mögliche Partikularinteresse sich an diesem Kuchen beteiligen will. Dennoch wäre es meiner Meinung nach besser, wenn die Regierung jetzt die Führung übernimmt, um zu einer Beruhigung zu sorgen.

Im Übrigen würde dies auch die deutsche Position in der EU deutlich verstärken, da sonst im Ausland der Eindruck herrschen könnte, Deutschland versuche als Trittbrettfahrer von den Konjunkturprogrammen des Auslands zu profitieren. Dies ist übrigens ein wichtiges Argument für die internationale Koordination: In kleinen offenen Volkswirtschaften ist die Fiskalpolitik normalerweise wirkungslos, da ein Großteil der eingesetzten Mittel ins Ausland abfließen. Insofern kann nur eine gleichgerichtete, zeitgleiche Fiskalpolitik der miteinander verbundenen Volkswirtschaften dafür sorgen, dass jede einzelne Volkswirtschaft einen wirksamen Impuls erhält, und deswegen ist die deutsche Weigerung, sich international zu beteiligen auch nicht hilfreich.

(1) Hiermit hedge ich meine Faulheit, nicht genau nachgeschlagen zu haben im Vertrauen auf mein Gedächtnis.

FT Alphaville kreiert den Weltuntergangsindex

Nach der Bekanntgabe der letzten amerikanischen Liquiditäts, Bankenrettungs- und Konjunkturpläne sind erwartungsgemäß die CDS-Spreads für amerikanische Staatsanleihen, also die Kreditversicherungsraten für die US-Regierung, angestiegen. Dieser Spread wird auch Armageddon-Index genannt, aus der Überlegung heraus, was passieren müsste, damit die USA den Staatsbankrott erklären müssten, und welche Folgen dies hätte.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von US-Unternehmen, deren CDS-Spreads niedriger sind als die der US-Regierung, wie FT Alphaville recherchiert hat:

AT&T Mobility (28bps)
Baxter International (24.5bps)
Campbell Soup (31bps)
Ingersoll Rand (40bps)
Lockheed Martin (30bps)
McDonalds (29.5bps)
Wyeth (35bps)

Also Unternehmen, die Medikamente, billige Lebensmittel, Waffen und Blutdrucksenker herstellen – womit sich der Kreis zu den Armageddon-Trades schließt. Und Market Watch hat 7 Szenarien aufgestellt, die zur Realisierung des Risiko führen könnten.

Permalink The Onion

Zwei weitsichtige Artikel aus The Onion:

Zur Amtseinführung George W. Bushs 2001

Amerika in der Rezession – auf der Suche nach einer neuen Anlagepreisblase

Leerverkäufe waren Ursache für den Run auf Morgan Stanley

Wie sich der eine oder andere noch erinnert, sind Mitte September 2008 alle Investmentbanken unter großen Druck geraten. Für Morgan Stanley lässt sich dieser Druck relativ leicht auf Leerverkäufe zurückführen – nur anders als man erwarten sollte: Es waren nicht Leerverkäufe von Morgan Stanley-Aktien die zum Run führten, sondern die Forderung Morgan Stanleys, Leerverkäufe von Finanztiteln zu verbieten. Nun sollte man nicht vergessen, dass die größten Kunden von Morgan Stanley die Hedgefonds sind, deren Geschäftsmodell darauf angewiesen ist, Leerverkäufe tätigen zu können. Insofern hat hier Morgan Stanley die Hände gebissen, die es bisher gefüttert hatten – und die Hände wurden dann schnell zurückgezogen. Zum Beispiel berichtete das Wall Street Journal:

“It’s one thing to complain, but another to put out a memo blaming your clients,” says Mr. Chanos, who adds that the development all but ended a more-than-20-year relationship with Morgan Stanley.

Binnen Tagen zogen Insgesamt drei Viertel der 1.100 Hedgefonds-Kunden ihre Mittel teilweise oder ganz aus Morgan Stanley ab – genug, um die Bank tatsächlich in Schwierigkeiten zu bringen. Mehr Details gibt es bei FT Alphaville.

Bernanke setzt WMD ein.

Als Weapon of Mass Desperation bezeichnet Wolfgang Münchau die Politik des quantitative easing, die er zur Zeit bei der Fed beobachtet (ob die Fed-Politik wirklich quantitative easing im eigenlichen Sinne ist, wurde hier schon diskutiert). Diesen Schluss zieht er jedenfalls aus dem Umstand, dass die Fed sich offensichtlich nicht mehr um die Fed Funds Rate kümmert (andere Autoren kommen zum Schluss, dass die Fed keinen Einfluss mehr auf diesen Zins hat, welches der Zins ist, zu dem Banken sich Geld untereinander leihen, um ihre Salden im Rahmen der Mindestreserveverpflichtungen bei der Zentralbank auszugleichen).

Wie dem auch sei, in jedem Fall kann kein Zweifel bestehen, dass die Fed zur Zeit um jeden Preis eine Deflation verhindern will. Nach Münchau kann man dass so interpretieren, dass die Fed das verhindern will, was in der Statistik ein Typ-1-Fehler genannt wird – die Ablehnung einer Hypothese, obwohl sie zutrifft. Dadurch steigt allerdings die Gefahr, einen Typ-2-Fehler zu begehen – die Annahme einer Hypothese, obwohl sie falsch ist. In diesem Fall wäre dass also eine Anti-Deflationspolitik, obwohl keine Deflation zu erwarten wäre.

Münschaus Schluss ist, dass es falsch wäre, in dieser Situation nur eine einzige mögliche Gefahr zu sehen, da zur Zeit zwei verschiedene Depressionsszenarien möglich seien – das eine Szenario geht von der Deflations-Ursache aus, die sich ergibt, wenn weitere Banken zusammenbrechen, und die Kreditvergabe weiter eingeschränkt wird. Das andere Szenario geht von einer Entspannung auf den Geldmärkten aus, die dann nach einer kurzen Rezession aufgrund der hohen im Markt befindlichen Liquidität zu neuen Blasen an den Anlage- und Rohstoffmärkten führen würde, zu einer Ausweitung der Inflation und schließlich zu einer Währungskrise der USA.