Erntedank-Menüvorschlag

Die Amis haben ja diese Woche erst Erntedank gefeiert – hier ein Menüvorschlag für die Finanzwelt:

Thanksgiving Menu 2008

appetizers
Mélange Of Frozen Markets
Tossed Assets With Government Guarantees
Frisée Of Foreclosures And Defaults

main dishes
Évaporation de Credit à la Cold Turkey
House Signature Dish
Seared Investors In Bottomless Pit With Caramelized Investments
Overheated Markets Without Oversight à la SEC
Braised Bankers Rump With Bailout Coulis

desserts
Sorbet Trio Of Shock, Disbelief And Insolvency
Off Balance Sheet flambé

Featured wine
Great Depression Grand Siècle1933 méthode creditoise

Gedunden bei financialsense.com

Mea culpa

Martin Wolf hielt seine Rede bei der Jahresparty der FT-Volkswirte und lud unsere Zunft ein, in Zukunft bescheidener zu werden vor dem Hintergrund, dass die breite Masse der Volkswirte die Finanzkrise nicht in dieser Form vorhersehen konnten.

Ein wichtiger Punkt, der seiner Meinung nach dazu führte, dass insgesamt die Schwere der Finanzkrise nicht vorhergesehen wurde, ist die übertriebene Spezialisierung in der Wissenschaft, wo zwar Makroökonomen, Risikomanager usw. jeweils ein Krisenszenario in ihrem Wissengebiet erkannt haben, aber nicht die Abhängigkeit zwischen den unterschiedlichen Krisenszenarien – dass also effektiv die Krise im einen Bereich die Krise im nächsten Bereich ausgelöst hat.

In der Diskussion bringt Paul Seabright diesen Punkt, der meiner Meinung nach erwähnenswert ist:

The real surprise, though, was that the bubble burst because banks stopped trusting each other before the rest of us stopped trusting banks – we had become used to the fiction that banks’ collective self-confidence was limitless and that it was only the small-depositor public’s trust that had to be kept going by deposit insurance and cheap money.
Banks were supposed to exercise selective and careful trust of each other, rather than veering between blind confidence and the sudden suspension of trust en masse.

Vielleicht müssen hier mal die Modelle des Bank run überarbeitet werden.

Grafik zur Fed-Politik

FT Alphaville hat eine Grafik der Bank of America veröffentlicht, die die Folgen der Geldpolitik der Fed darstellt:

Wie man sieht, hat die Fed durch ihre Liquiditätsprogramme sehr viel neues Geld geschaffen – aktuell 1,1 Bil. US-$. Durch den Verkaufvon neuen Treasury-Bills hat sie aber einen Teil des neu geschaffenen Geldes wieder eingesammelt – aber eben nur einen Teil. Im Effekt hat sie so gut 500 Mrd. US-$ neues Zentralbankgeld in der Summe bereitgestellt. Ceteris paribus müsste dies also eine Explosion der Geldmenge haben – aber die Dinge sind nicht gleich geblieben – Abbildung 12 zeigt, wie der Geldmengenmultiplikator – also das Verhältnis von M1 zum Zentralbankgeld eingebrochen ist.

Wie konnte das bloß passieren?

Ich bin jetzt mal faul, und stell einfach den Artikel rein, den nikitskyfund.com (S. 8 ) geschrieben hat. Der ganze Report ist sehr lesenswert.

How could it have Happened – II?

The LTCM Precedent

When in 1998 Long-Term Capital Management went to the wall – ironically, threatening to take down Lehman Bros in its wake – what happened was not that a single risk was badly miscalculated, destabilizing
their entire business model – their model was sufficiently robust to deal with one or even several outliers. Instead, what happened is that their system implicitly treated individual risks as independent, yet in the event, when one of them swung out to a six-sigma deviation, all of the others followed, and internal  correlations drove prices further and further from any rational level.

This appears to provide a serviceable analogy for the Chernobyl-style events now ricocheting through the global economy. While many economists, ourselves included, had warned of the danger of single events, i.e. a collapse in the CDOs, failure of the SIVs and other offbalance sheet entities, a housing crisis, bank failures, Fannie/Freddie, the bankruptcy of the US carmakers, a collapse of the US, British and Spanish housing markets, a failure of the Baltic/Balkan finance model, etc. etc. what we failed to appreciate was that they could all happen simultaneously, i.e. that each outlier event could trigger the others. It has.

Und noch ein guter Bericht aus der gleichen Feder – 41 Thesen (nur 41, weil Martin Luther mit 95 Thesen nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat).

HMS Banking System

… oder auf deutsch: Der VEB Finazsektor. So, oder so ähnlich sieht Willem Buiter die Zukunft der Banken, wenn sie nicht in kurzer Zeit anfangen, wieder aus eigenem Antrieb Kredite an den Nichtbanken-Bereich der Wirtschaft zu vergeben.

Er kommt zu diesem radikalen Schluss, weil es grundsätzlich nur drei Gründe für die Existenz des Finanzsektors – in der Rolle des Finanzmediärs – gibt: 1. Ausgleich zwischen Agenten, die überschüssige Liquditität haben und Agenten, die einen Finanzierungsbedarf haben, 2. Der Ausgleich von Risiken innerhalb der Wirtschaft und 3. Das Portfoliomanagement der Investitionen. Alle drei Funktionen werden zur Zeit wenig bis gar nicht erfüllt, bzw. sind weit von ihrem gesamtwirtschaftlichen Optimum entfernt. Nach Buiter kann man daher nicht mehr von einer Krise im Finanzsektor sprechen und auch nicht mehr von einer Krise des Finanzsektors – der Finanzsektor insgesamt ist tot.

Die wichtigste Funktion für die Volkswirtschaft ist zweifellos die Kreditvergabe an Unternehmen, da besonders die eher eigenkapitalschwachen kleinen und mittleren Unternehmen sonst in Schwierigkeiten geraten, wenn ihnen der Zugang zu Fremdkapital verwehrt wird. Als mögliche Ursachen für die jetzige Weigerung des Finanzsektors, Kredite zu vergeben, sieht Buiter fünf Gründe: 1. Die bisherige Kreditvergabe war irrational stark ausgeweitet, und die Banken haben erst jetzt zu einer rationalen Bewertung der Risiken zurückgekehrt. 2. Der Kreditmarkt weisst zwei selbsterfüllende Gleichgewichtszustände auf, und durch Schocks auf den Markt ist dieser in das schlechte Gleichgewicht geraten, in der die Banken eine Depression erwarten, daher die Kreditvergabe einstellen, und somit erst den Zustand schaffen, in dem eine Depression sich entwickeln kann. 3. Nach der exzessiven Kreditvergabe der Vorjahre haben in den Banken die Risikomanager und Buchhalter die Regie übernommen, für die es wenig Anreize für eine Kreditvergabe gibt, da diese zu keinem Bonus führt, aber im Verlustfall den Arbeitsplatz gefährdet. 4. Schiere Panik bei den Bankmanagern. 5. Banken horten Liquidität, um nicht staatliche Rettungspakete in Anspruch nehmen zu müssen, da diese in der Regel mit Einschränkungen der Entlohnungspolitik und Ausschüttungspolitik verbunden sind.

Während Buiter den ersten Grund ausschließt – er also keine objektive Bewertung der Ausfallrisiken der Kredite an den Nichtfinanzsektor sieht – geht er davon aus, dass die restlichen Ursachen zum gleichen Teil ihren Beitrag leisten. Aus diesem Grund fordert er, dass der Staat die Banken dazu zwingen muss, die Kreditvergabe wieder aufzunehmen, wozu er drei Wege vorschlägt:

1. Es wird gesetzlich festgelegt, dass existierende Kredite, die im nächsten Jahr zur Erneuerung anstehen, bedingungslos verlängert werden. Das Problem hierbei ist, dass dies den Unternehmen nicht hilft, die ihr Geschäft mit Hilfe von Fremdkapital ausweiten wollen.

2. Der Staat gibt den Banken Kreditvergabeziele vor, z. B. das bisherige Kreditvolumen + 5%, und wenn die Banken das Ziel nicht erfüllen, wird die Abweichung als Steuer vereinnahmt.

3. Da die Banken sowieso nur noch aufgrund der staatlichen Unterstützung existieren, kann dieser umstand auch formalisiert werden, d. h. die Banken werden verstaatlicht, und bisherige Vorstände und Aufsichtsräte werden gefeuert.

Wie gesagt, ein radikaler Ansatz, und ein Zeichen für die Umstände, in die der Finanzsektor geraten ist, dass die Forderung der Verstaatlichung von einem Professor der London School of Economics und ehemaligen Mitglied des Kontrollrats der Bank of England kommen kann. Man sollte allerdings bedenken, dass die Situation Englands eine andere als die Deutschlands ist, da hier mit den Sparkassen und Genossenschaftsbanken zwei Säulen des Banksystems existieren, die nicht primär an der Gewinnmaximierung orientiert sind, und von daher eine Lücke der Kreditvergabe durch Privatbanken füllen können.