Zum Ziel des Plans

Ich stell mal meine Interpretation zur Diskussion: Der Staat will den Banken die notleidenden Verbriefungen abkaufen, zu einem Preis, der dem “fair value” entsprechen soll, also einem Kurs, der die tatsächlichen zu erwartenden Ausfallquoten der zugrundeliegenden Kredite entspricht (so aus dem Hut gegriffen wohl ein Kurs zwischen 30 und 50 je 100 Dollar Nominalwert). Zur Zeit gibt es keinen wirklichen Marktpreis für diese Papiere, weil sie nicht gehandelt werden, bzw. erzielte Kurse liegen bei 20%. Zu diesen Kursen müssen die Banken die Verbriefungen in den Bilanzen bewerten, der staatliche Aufkauf hat also für die Banken zwei Effekte: Es wird die Unsicherheit aus der Bilanz genommen (das durch Eigenkapital abzusicherende Value at Risk verringert sich), und das Eigenkapital wird erhöht, weil die Aktivseite vergrößert wird. Der Plan würde also die Bankenkrise wahrscheinlich beenden.

Die Diskussion ist also, ob denn der Staat sich das Risiko leisten kann, wenn er die Verbriefungen übernimmt, und ob dieser Bail-out nicht sehr negative Anreize beinhaltet (weil die Banken nicht für ihre Fehler bestraft würden). Eine vernüftige Lösung würde also beinhalten, dass der Staat die Eigenkapitalseite der Banken stärkt, indem er zu Lasten der Aktionäre Anteile am Eigenkapital erhält, z. B. indem der Staat für die Differenz zwischen fair Value und Marktwert der Verbriefungen Aktien erhält. Das Risiko für den Staat würde also gleich bleiben, aber er hat damit die Chance, nach einer Normalisierung des Marktes mit steigenden Kursen der Bankaktien Gewinn zu machen, während er im bisherigen Plan bestenfalls keinen Verlust macht.

Selbstheilung des Marktes möglich

Es gibt die Selbstheilungskräfte des Marktes, nur ist das Problem, dass diese Selbstheilung länger dauert und mehr kostet, als eine staatlich unterstützte Lösung der Krise (so ähnlich wie es auch für die Pest in Europa eine natürliche Lösung gab, würden erst einmal die meisten Banken pleite gehen, mit ihnen große Teile der Wirtschaft und der Konsumenten, und erst nachdem all diese Insolvenzen abgewickelt würden, würde die Wirtschaft wieder auf die Beine kommen). Das Problem des Bankensystems besteht darin, dass dieses nur so lange stabil ist, so lange alle wesentlichen Marktteilnehmer darauf Vertrauen, dass das System stabil ist (es handelt sich also in zweierlei Hinsicht um selbsterfüllende Prophezeiungen: Glauben alle an das System, überlebt es, zweifeln alle am System, stirbt es). Insofern kann es ja auch keine Zweifel daran geben, dass der Staat das Recht und die Pflicht hat, durch Regulierungen destabilisierende Elemente zu beschränken. Das Problem war ja, dass die Verbriefungen (Asset Backed Securities) allgemein als stabilisierend angesehen wurden, da sie eine bessere Streuung des Risikos erlauben würden. Dies wäre in einem gewissen Sinne auch der Fall gewesen, wenn das Risiko, dass in den Verbriefungen steckt, auch tatsächlich aus dem Bankensystem herausgekommen wäre (also z. B. bei Staatsfonds oder großen Versicherungen platziert worden wäre). Tatsächlich haben sich aber die Banken nur die Verbriefungen hin- und hergeschoben.

Zynismus

Eigentlich ist die Krise doch beruhigend für einen Volkswirt, weil sie aufzeigt, dass sich Marktungleichgewichte eben doch nicht unendlich aneinander reihen lassen. Insofern hat dann auch Gabor Steingart recht, der vor zwei Jahren in einem Weltkrieg um Wohlstand schon schrieb, dass die kommende Krise der US-Wirtschaft die am besten prognostizierbare Krise der Wirtschaftsgeschichte sein würde. Noch ein Wort zum Verbot der Leerverkäufe: Während ich den Verbot des naked selling für richtig halte (weil hierdurch ein übermäßiger spekulativer Druck aufgebaut werden kann), ist das normale Leerverkaufen wichtig für den Markt, um Übertreibungen zu vermeiden: Nur durch den Leerverkauf kann man am Spotmarkt darstellen, dass man eine Aktie für überbewertet hält. Dadurch ermöglicht der Leerverkauf, Preisblasen schneller abzubauen, und auch generell die Bildung von Preisblasen zu erschweren. Im Grunde haben die Attacken auf die Bankaktien das gleiche Muster wie Festwechselkurs-Krisen im Krugman-Modell, später dazu mehr.