Lesestunde 01.10.2010

Die FED hat eine Untersuchung veröffentlicht, welchen Effekt Quantitative Easing (also unorthodoxe expansive Geldpolitik wie der Ankauf von T-Bonds durch die FED) auf die Zinsstruktur hat, wie FT Alphaville berichtet: Demnach wurde durch die Politik die Zinsstrukturkurve insgesamt um 50 Basispunkte nach unten verschoben – wie die Autoren der Studie feststellen, ein überraschend großer Effekt, wenn man bedenkt, dass die Aktion für den Markt nicht überraschend war (und daher eigentlich vom Markt hätte antizipiert werden müssen).

John Kiff argumentiert im Blog des IMF, dass die Dominanz der Ratingagenturen endlich beendet werden muss.

Martin Wolf verzweifelt derweil am IFM, die zumindest in Hinblick auf wirksame Wirtschaftspolitik noch im alten Dogma gefangen sind: Überschuldete Staaten müssen demnach Haushalte drastisch zusammenstreichen, selbst wenn dies zu einem Zusammenbruch der Konjunktur (und damit verbunden weitere Rückgänge der Staatseinnahmen) führt. Hier scheint der IFM aber nur noch nicht in Politik umzusetzen, was von seinen Volkswirten schon festgestellt wurde, da ein Diskussionspapier des IFM zu dem Schluss kommt, dass Einschnitte im Staatshaushalt keinen positiven Wachstumseffekt haben.

Duff McDonald dokumentiert die Diskussion an der Wall Street, ob der Finanzsektor in den USA nicht ein klein wenig zu groß geworden ist – vernünftige Stimmen gehen davon aus, dass der Sektor ungefähr auf die Hälfte schrumpfen wird, oder, in den Worten von Marktbeobachter Jeremy Grantham

The financial services industry accounted for just 3% of GDP in 1965. By the end of 2007, that proportion was a remarkable 7.5%. This extra 4.5% would seem to be without material value except to the recipients.

Felix Salmon kommentiert den Denkfehler bei der Diskussion in den USA über die Steuererhöhung für Einkommen über 250.000 US-$: Wie auch Jonathan Chait betont, ist es ein Denkfehler anzunehmen, durch diese Erhöhung würden Haushalte mit einem Einkommen von 250k genauso besteuert werden wie Haushalte mit 5 Mio. Einkommen, da der höhere Steuersatz nur für das Einkommen angewendet wird, das über 250k liegt – bei einem Haushalt mit 250.001 $ also nur 1 $, aber beim Haushalt mit 5 Mio. 4,75 Mio.

Brad DeLong verdeutlicht, dass die Rezession – vor allem in den USA – ein Ergebnis des Nachfragezusammenbruchs ist, und dass deshalb Staatsausgaben nicht verringert werden sollten, und dass es noch genügend Spielraum bei der Neuverschuldung für die USA gibt.

Die IgNobel-Preise wurden vergeben. Gewürdigt wurden dieses Jahr u. a. die Arbeit von Rietveld und van Beest, die feststellen, dass Asthma-Symptome durch Achterbahn-Fahrten verringert werden können (Medizin), Stephens, Atkins und Kingston für den Nachweis, dass Schimpfen Schmerzen lindert (Frieden) und Pluchino, Rapisarda und Garofalo für das Ergebnis, dass Organisationen sich besser entwickeln würden, wenn Beförderungen zufällig verteilt würden (Management). Bemerkenswert natürlich auch die Arbeit von Zhang et. al., die für die Dokumentation des Fellatio bei Fledermäusen mit dem IgNobel-Preis für Biologie ausgezeichnet wurden.

Die Humor Session mit Youram Bauman bei der AEA:

Barry Ritzhold hat derweil 10 Vorschläge für einen neuen Goldman Sachs Claim.

Top 10 Ideas for Goldman Sachs New Ad Campaign

10. Under Buffett’s protection since 2008

9. Putting the zero in zero-sum game.

8. Government Bailout: $29 billion
SEC Settlement: $550 million
Doing God’s work? Priceless.

7. Helping you forget about Bernie Madoff one CDO at a time

6. Goldman Sachs: America’s Counterparty

5. Let us do for you what we did for Greece.

4. Like we give a fuck what you think about us . . .

3. Goldman Sachs: There are some things money can’t buy. For everything else, there’s JPMorgan.

2. The Rothschilds were Pussies

And the number 1 advertising slogan for the new Goldman Sachs ad campaign:

1. We put the douche in fiduciary

Revolution zeigt, wie man in 14 Code-Zeilen mit R eine Animation der Mandelbrot-Menge erstellt. (Auf die Grafik klicken für die Animation)

Klick mich!

Lesestunde 30.09.2010

Okay, ein paar Links und Zusammenfassungen:

Im letzten Artikel schrieb ich über die Schwierigkeiten, die Leute haben, die Einkommensverteilung und ihre Position darin abzuschätzen. Dan Ariely hat diese Frage in Hinblick auf die gewünschte Vermögensverteilung untersucht: Er bittet Versuchsteilnehmer zunächst die Verteilung des Vermögens in den USA abzuschätzen, und dann macht er das folgende Gedankenexperiment: Der Teilnehmer möge sich bitte vorstellen, welche Vermögensverteilung sie sich wünschen, wenn sie neu in eine zufällige Position der Vermögensverteilung gelost würden. Die rationale Erwartung wäre, dass dann eine Gleichverteilung des Vermögens gewünscht würde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer die Ungleichverteilung des Vermögens noch deutlich unterschätzen, dass sie sich aber – unabhängig von politischen Ansichten oder jetzigem Einkommen – eine weitaus gleichmäßigere Einkommensverteilung wünschen als aktuell gegeben.

Creative Accounting – nachdem die Griechen vorgemacht haben, wie man Statistiken zurechtbiegt, kommt von FT Alphaville eine Meldung, dass Spanien seine Wachstumsraten geschönt hat – um bis zu 14,2%! Grundlage des Artikels war eine anonyme E-Mail, aber die Argumente, die in der E-Mail vorgebracht werden, lassen zumindest Zweifel aufkommen, dass in Spanien die Bücher ordentlich geführt wurden.

Irland hat heute die Bedingungen für das Bail-out von Allied Irish Banks bekannt gegeben. Demnach ist die Belastung für den Haushalt 29,3 – 34,3 Mrd. €, und Irland erwartet ein Haushaltsdefizit von 32% des BIP.

US-Neuverschuldung anschaulich gemacht

Eine schöne Animation, die zeigt, wie die Staatsverschuldung der USA Gas gibt.

Interessante Bemerkung

Bad Boy schreibt in einem Kommentar zu Willem Buiters letztem Artikel (Hervorhebung von mir):

We should not forget that from the European point of view on the economy there is de facto a defined rigid fiscal policy, consequence of the Euro as administered by the ECB. The euro is essentially an external currency for national economies as it cannot be manipulated by any of them. Pressures have to be handled through the implementation of structural reforms and not through short-term manipulation with the instruments of cyclical macroeconomic policy.

Ich denke, dass ist ein Punkt, der in der Diskussion generell zu wenig beachtet wird: Nämlich, dass die Regierungen im Euro-Raum ihre Verschuldungspolitik so ähnlich betreiben müssen, wie ein Land, das z. B. aus Gründen mangelnder geldpolitischer Stabilität sich nicht in der eigenen Währung verschulden kann, wie Argentinien.

Die offensichtlichste Folge ist, dass für diese Regierungen die Option, Staatsverschuldung wegzuinflationieren, nicht autonom gegeben ist, d. h. sie müssten dann entweder den Euroraum verlassen (und dabei einen Tausch der Euro-denominierten Staatsanleihen in die neue nationale Währung vorschreiben) – mit allen negativen Folgen, oder sie müssen die staatliche Insolvenz akzeptieren.