Krugmans Argument für ein koordiniertes Konjunkturpaket

Paul Krugman hat sich eine Serviette und einen Stift genommen, und die Differenz in der Wirksamkeit nationaler Konjunkturpakete in Europa und eines koordinierten Konjunkturpakets berechnet. Der Kern seines Arguments ist, dass bei nationalen Paketen der nationale Import-Anteil am BIP für die Berechnung des Keynes-Multiplikators herangezogen werden muss – im Schnitt 40% – während bei einem koordinierten Rettungspaket der Importanteil der EU insgesamt (also im Außenhandel mit Ländern außerhalb der EU) berücksichtigt werden muss, und der liegt bei 13%. Bei nationalen Paketen liegt der Multiplikator bei 0,73, bei koordinierten Maßnahmen jedoch bei 1,18. D. h. eine Erhöhung der Staatsausgaben um einen Euro steigert das BIP entweder um 0,73 EUR oder um 1,18 EUR.

Außerdem berechnet Krugman einen „Bang-per-Euro“-Faktor (d. h. um wieviel steigt das BIP je zusätzlichem Euro Staatsverschuldung) – wahrscheinlich für Steinbrück der wichtigere Faktor. Und dieser steigt bei einer koordinierten Politik von 1,03 auf 2,23. Mit anderen Worten: Für einen gleichen Effekt muss die Staatsverschuldung nur halb so stark ausgeweitet werden.

Protektionismus reloaded

Da die Wirtschaftspolitik zur Zeit unter dem Motto von Nixon funktioniert – Wir sind jetzt alle Keynesianer – ist es wohl sinnvoll, sich einmal ein Kernstück der Funktionsweise keynesianischer Nachfragesteigerung anzuschauen, den Keynes-Multiplikator:

Keynes-Multiplikator

Keynes-Multiplikator

Wie Dani Rodrik und Econompicdata.com feststellen, gibt es also drei Wege, die Wirksamkeit von Konjunkturpaketen zu steigern:

  1. durch die Steigerung der Grenzrate des Konsums,
  2. durch die Senkung des Steuersatzes und
  3. durch eine Senkung der Importquote.

Nach Rodrik wäre es am einfachsten, den Keynes-Multiplikator durch Einschränkungen der Importe zu erhöhen (Hervorhebung von mir):

In fact you can. It is pretty easy to increase the multiplier; just raise import tariffs by enough so that the marginal propensity to import out of income is reduced substantially.  Yes, yes, import protection is inefficient and not a very neighborly thing to do–but should we really care if the alternative is significantly lower growth and higher unemployment?  More to the point, will Obama and his advisers care?

Being the open economy that it is, I fear that the U.S. will have to confront this dilemma sooner or later. In an environment where the dollar has already appreciated against the Euro and even more significantly against emerging market currencies, fiscal stimulus here will produce an even larger current account deficit.  If American consumers decide to spend 40 cents of a dollar of additional income on cheap imports from China and other foreign countries, the multiplier will be a mere 1.3.  How long will it take before politicians of all stripes cry foul over the leakage through the trade account and the „gift to foreigners“ that this represents? And they will have Keynesian logic on their side.

The way out of this dilemma is to get the rest of the world to engage in fiscal expansion at the same time–so that the gift is returned. The good news here is that China is playing along and hopefully the Europeans will too (if they can convince Germans to get over their weird obsession with fiscal conservatism).

Und meiner Meinung nach liegt hier das wichtigste Argument für ein ernsthaftes deutsches Konjunkturpaket: Selbst wenn es bedeutet, dass 40-45% der deutschen Steuermittel ins Ausland abfließen würden, würde dies dadurch ausgeglichen, dass auch das Ausland in einem vergleichbaren Maße die Nachfrage steigert und dadurch wiederum deutsche Exporte erhöht. Wenn es kein international koordiniertes Konjunkturprogramm gibt, wird andererseits der Anreiz erhöht, protektionistisch zu agieren.